Alle drei bis vier Wochen eine Veröffentlichung. Das hatte ich mir als Ziel gesetzt, nachdem diese Webseite lange Zeit keine neuen Inhalte bekommen hatte. Jetzt ist gerade einmal eine Woche vergangen, und hier veröffentliche ich bereits den nächsten Beitrag. Anscheinend war die Aktivierung meines Veröffentlichungsmuskels effektiv. Jedenfalls hat das Veröffentlichen des letzten Beitrages in mir die Lust geweckt, den nächsten bald hinterherzuschieben. Ein bisschen Scham ist auch dabei in diesem Mechanismus. Nach dem Motto: Wenn ich nun schon diese Sätze geschrieben und dem Internet zum Lesen angeboten habe, dann kann ich doch nicht jene andere über das, was mich noch viel länger bewegt und geprägt hat, ungeschrieben bzw. unveröffentlicht lassen. Das wäre sonst ja eine krasse Falschdarstellung. Und überhaupt, all die Fragen und Themen, die mein Beitrag aufwirft und unbeantwortet lässt. Es beruhigt mich ein bisschen, in meiner Veröffentlichungs-Nervosität, dass es den Anschein hat, dass mein letzter Beitrag noch von niemandem gelesen wurde. Auf Dauer würde mich das natürlich stark enttäuschen, denn ich sehne mich nach dem Gelesenwerden und dem Austausch. Aber es ist gar nicht schlecht, erstmal ein paar Beiträge anzusammeln. Dann stehen sie nicht so allein und verwundbar da.
Heute will ich das Buch honorieren, das mich durch die Verrücktheit begleitet hat. Ein Buch, das für mich ein Durchbruch an Erkenntnis, voll mit praktischem Wert und absolut liebenswert war, als ich es das erste mal las. Es hat mir eine Sprache gegeben, das, was mich bewegte, aufzuschreiben. Es handelt sich um Habeas Viscus: Racializing Assemblages, Biopolitics, and Black Feminist Theories of the Human von Alexander G. Weheliye.
Die Geschichte meiner Verrücktheit ist auch eine Geschichte über das Schreiben. Ich schrieb damals an einem Artikel; ich kämpfte damit; ich steckte fest. Dann kam ein riesiger Erkenntnis- und Kreativitätsschub, und ich schrieb den Artikel mit viel Freude und einer gewissen Besessenheit zu Ende. Habeas Viscus war ein Teil von diesem Kreativitätsschub. Ich schreibe darüber in dem Artikel selbst. Habeas Viscus wurde meine ausgeprägteste theoretische Grundlage, zusammen mit Hortense Spillers‘ Theorie über „flesh“ (die wiederum schon Teil von Habeas Viscus ist). Ich schrieb damals auf Englisch.
Worum, nun aber, und diesmal auf Deutsch, und in meinen heutigen Worten, geht es in Habeas Viscus? Es geht um ein „anderes“ Genre von Mensch-Sein, das in der Zerstörung und Gewalt, die die Welt anrichtet, ihren Lebensraum hat, und dabei nicht nach der Wieder- und Wieder-Erneuerung dieser Welt trachtet, sondern mit seinem Streben, seiner Sinnlichkeit, seinem Wissen, seinem Lachen, seinem leiblichen Überleben und mehr eine andere Sphäre auszufüllen beginnt. Die Gewalt und Zerstörung und besagte „Welt“ gehört zusammen mit einem eigenen Modell von „Menschsein“ – das sich als das einzige, alternativlose, darstellt, wo der „Mensch“ sich von dem „Fast-Menschen“ und andererseits dem „Nicht-Menschen“ unterscheidet. Eine Unterscheidung, die durch Gewalt hergestellt ist, mit dem Konzept Rasse und dessen Fortentwicklungen unter neuen Namen verbunden ist und damit Teil eines komplexen Gefüges oder Zusammenspiels. (Dies ist mein Versuch, Weheliye’s Begriff „racializing assemblages“ zu umschreiben.)
Zurück zu dem anderen Genre von Mensch-Sein. Ich erkannte mich darin. Und mein Verständnis davon, was das war, integrierte sich in meine Liebe und Hochachtung für Jenes, was danach – neben der Gewalt – auch in der Psychiatrie passierte und was es mir auch wert ist, weiter an meinem Psychiatrie-Memoir French Dressing zu arbeiten, um es noch einmal schillern und schimmern zu lassen. Kurzerhand habe ich oft von den „Begegnungen mit Mitpatient_innen“ gesprochen, aber es sind natürlich nicht alle solche Begegnungen, sondern eben um eine Reihe solcher, die eine besondere Qualität haben. Eine besondere ästhetische Aufmerksamkeit gehört unter anderem dazu, also damit meine ich: was mit sinnlichem Erleben, Wahrnehmen und subjektivem Bewerten wie schön/nicht schön, angenehm/unangenehm zu tun hat. Aber auch, dass all dieses in den Zwischenräumen von horrender Gewalt existiert.
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