Die Langeweile ist planbarer
Die Traurigkeit berechenbarer
Das Gefangensein und das Freisein sind loser gestrickt
Der Überwacher diffuser
Die Kombination aus Ignoriert- und Bequatscht-Werden ist alltäglicher
Ich teste den Freiraum im Ignoriert-Sein
auf der Hut vor der Bestrafung,
wenn sie mich entdecken beim Verrücktsein
Das Wimmern der Isolationszelle ist unhörbarer
Die Qualen der frisch Ent-Isolierten unsichtbarer
Am Morgen nach meiner Verlegung von der geschlossenen auf eine offene psychiatrische Station schrieb ich noch im Bett vor dem Aufstehen dieses Gedicht. Nach jeder Zeile dreht ich das Papier, sodass das Gedicht längs und quer über das ganze Blatt verteilt ist. So behielt ich die Oberhand über die Buchstaben und Wörter, die mir sonst schon mal vor den Augen zu einer Textmasse verschwimmen würden. Ich nummerierte die Zeilen, die sich in alle Richtungen über das Blatt Papier verteilten, damit ich ihre Reihenfolge nicht vergessen würde. Die zweite Zeile, über die Traurigkeit, schrieb ich in Spiegelschrift. Das passte irgendwie. Eine Formulierung, die mir eben auf Englisch in den Sinn kam, schrieb ich auf Englisch.

Das Gedicht trägt den Titel Offene Station, geht aber genauso auch um die Geschlossene Station, denn diese dient als Vergleichspunkt.
Die Version am Beginn dieses Beitrages ist eine digitale Version in einfachem Text (ohne räumliche Anordnung und Spiegelschrift), und nur auf Deutsch.
Nachtrag: Eine Version dieses Gedichtes habe ich veröffentlicht in beHindert und verRückt: Worte_Gebärden_Bilder finden, herausgegeben von Eliah Lüthi bei edition assemblage (2020)
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