Wenn ich nichts vergessen habe, dann habe ich 2022 in meiner schriftstellerischen Tätigkeit vier Sachen gemacht. Damit meine ich vier Aktivitäten, die irgendwie Bemühungen um Erfolg im Sinne von Anerkennung oder Veröffentlichung darstellten. Also, dass ich weiter an meinem Buch gearbeitet oder gute Bücher gelesen habe, dass ich neue Ideen spinne und für meine Webseite geschrieben habe, all das zähle ich an dieser Stelle nicht mit.

1.) Ich habe mich um ein Förderstipendium Literatur des Berliner Senats beworben, für mein Buch „French Dressing.“ Es war mein zweiter Anlauf für dieses Stipendium – der erste war im Jahr 2020. Leider ist auch dieses Mal nichts daraus geworden. Schade. Dieses Stipendium hätte es mir möglich gemacht, einen weit größeren Teil meiner Zeit fürs Schreiben dieses Buches zu verwenden als jetzt. Die Arbeit an der Bewerbung war jedoch im Großen und Ganzen erfreulich für mich. Ich habe auch zum Vergleich meine Bewerbung aus dem Jahr 2020 gelesen und mich daran gefreut, wie ich die Darstellung des Projektes seitdem konzeptionell weiterentwickelt habe. Ich bin selbstbewusster geworden. Und, naja, es gibt noch viel zu tun, und erstmal werde ich weiter nur in einem sehr mäßigen Tempo vorankommen.
2.) Ich habe einen Beitrag eingereicht bei einem österreichischen feministischen Literaturwettbewerb, genauer gesagt bei WeissNet 2022, ausgeschrieben von der Interessensgemeinschaft feministischer Autorinnen. Hier gibt es mehrere Gewinner(*?)innen, die mit einer online Veröffentlichung und einem Preisgeld honoriert werden. Auch hier habe ich nicht gewonnen. Jetzt überlege ich, was ich mit dem eingereichten Text mache. Vielleicht kommt er einfach auf meine Webseite. Oder mir fällt noch eine andere Stelle ein, wo ich ihn anbieten oder einsenden will. Es ist ein Dialog und es geht um Psychiatrie, Religion, Glauben und Staat.
3.) Ich wurde angefragt von Jennifer Petzen und Koray Yılmaz-Günay für einen Beitrag zu deren online-Anthologie „Ja, aber ungern“ im Verlag Yılmaz-Günay. Hierfür habe ich eine Geschichte mit dem Titel „Wir sind nicht Teil der Welt“ eingereicht, die bald veröffentlicht werden soll. Ich habe mich sehr über die Anfrage gefreut, weil Jennifer und Koray Teil einer Community sind, in der ich mein Schreiben gerne zuhause beziehungsweise auf Besuch habe. Eine Community, in der ich mich über Ideen, Visionen und Horizonte austauschen und streiten mag bzw. mit meinen ästhetischen Kreationen neugierig auf Resonanz bin. Die Arbeit hat mir Freude gemacht und sie wird mit einem Honorar bezahlt.
4.) Zuletzt wurde ich noch angefragt für einen Beitrag für die Zeitschrift „Psychiatrische Pflege,“ für eine Ausgabe zum Schwerpunkt Menschenrechte. Ich wollte erst ablehnen, aus gemischten Gründen. Vor allem, weil ich mich mit meinem Schreiben lieber in Richtung eines allgemeinen Publikums oder einer aktivistischen, linken (breit und bewegungsübergreifend verstanden) bzw. radikalen Community orientiere, jedenfalls nicht in Richtung der Psychiatrie oder einer ihrer darin verankerten beruflichen Identitäten. Außerdem vermutete ich, dass die Schreibarbeit unbezahlt sein würde, und als unbezahlte Arbeit wollte ich schon gar nicht für dieses Medium schreiben.
Es ist interessant: Ich lese schon seit längerer Zeit Yasmin Nairs Arbeit zu dem Thema, dass Schreibarbeit bezahlt werden muss. Das Argument leuchtete mir immer ein, aber bisher hätte ich mir das Thema nicht unbedingt selbst auf die Fahne geschrieben. Als ich über die Anfrage von Psychiatrische Pflege nachdachte, vermischte sich mein Unwillen, mit meiner Stimme in den Diskurs der Psychiatrie hineinzurufen, mit einer sehr klaren und als gerechtfertigt empfungenen Ablehnung der Vorstellung, dafür von Seiten des psychiatrischen Diskurses nicht entlohnt zu werden. Die Psychiatrie basiert meiner Auffassung nach sowieso auf der Verwertung der gestohlenen und ermogelten Geschichten ihrer Patient*innen, Insass*innen, Fälle, und wie wir und sie noch alles genannt wurden und werden.
Ich war mir fast sicher, dass der angefragte Beitrag nicht vergütet sein würde – wie das eben in wissenschaftlichen Zeitschriften üblich ist – und fragte eigentlich mehr aus einem aktivistischen Impuls nach. Der Redakteur soll zumindest die Frage gestellt bekommen, ob es ein Honorar gibt, dachte ich mir. Ich fragte auch danach, ob mein Beitrag im Internet frei zugänglich sein würde.
Die Antworten waren ja und nein: Ja, der Text wird bezahlt. Und nein, zugänglich wird mein Text grundsätzlich nur denen sein, die die Zeitschrift gekauft haben. Ich dürfte PDFs an interessierte Einzelpersonen versenden, aber nicht beispielsweise auf meine Webseite stellen. Ich war ambivalent, aber sagte schließlich zu. Die Arbeit hat mich durchaus gestresst, nicht zuletzt weil sie in einer Zeit vollbracht werden musste, wo die Stunden, die ich zum Schreiben hatte, knapp und scharf begrenzt waren. Aber das hatte auch sein Gutes, und ich war stolz, dass ich zum verabredeten Datum ein Manuskript abschickte und freute mich, den Kopf danach wieder für andere Dinge frei zu haben. Auch inhaltlich und positionierungs- und ansprachetechnisch musste ich mich ein wenig neu orientieren für diesen Beitrag. Er soll irgendwann im Frühling 2023 erscheinen und trägt den Titel „Wer glaubt hier noch an Menschenrechte?“
So habe ich in diesem Jahr immerhin zwei neue Veröffentlichungen in die Wege geleitet, und freue mich darauf, bald mehr zu schreiben und veröffentlichen. Die beiden Texte haben übrigens, trotz markanter Unterschiede, auch einiges gemeinsam. Wenn es soweit ist, dass sie veröffentlicht sind, werde ich sicher darüber berichten.
Ich wünsche allen, die das lesen, einen guten Rutsch! Auf ein wort-reiches Miteinander in 2023!
Referenzen:
Nair, Yasmin: I’m a freelance writer. I refuse to work for free. Vox, 2016. https://www.vox.com/2016/2/26/11106006/writing-for-free
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