Eine Meta-Studie wurde gerade veröffentlicht, die systematisch und umfassend andere Studien auswertet und zusammenführt, und dabei prüft, was es für empirische Belege gibt für die Theorie, dass Depression mit einem veränderten Serotonin-Haushalt zusammenhängt. Das Ergebnis ist, dass die Theorie trotz massivem Forschungsaufwand nicht empirisch belegt ist. Die Studie ist auf Englisch veröffentlicht und „open access,“ also kostenfrei zugänglich über das Internet. Vermutlich auf Grund der beeindruckenden Systematik und des wissenschaftlichen Prestige der beteiligten Autor*innen und der veröffentlichten Zeitschrift, zeichnet sich ab, dass über die Studienergebnisse in vielen Nachrichtenmedien berichtet wird.
Das Ergebnis ist u.a. deshalb brisant, da die Verwendung einer weit verbreiteten Klasse von Antidepressiva (SSRI-Inhibitor) mit der Serotonin-Theorie begründet wird. Die Serotonin-Theorie wird von vielen praktizierenden Psychiater*innen und angrenzenden Berufsgruppen – trotz der fehlenden Evidenz – vertreten. Auch in der Allgemeinheit herrscht der weit verbreitete Glaube vor, dass es wissenschaftlich erwiesen sei, dass Depression mit einer Störung im Serotonin-Spiegel zusammenhängt, wie die Autor_innen in der Diskussion betonen.
Ich nutze die Gelegenheit um auch hier auf die Studie zu verweisen und zu verlinken:
Moncrieff, J., Cooper, R.E., Stockmann, T. et al. The serotonin theory of depression: a systematic umbrella review of the evidence. Mol Psychiatry (2022). https://doi.org/10.1038/s41380-022-01661-0
Soweit die Nachrichten.

Ja, in diesem Beitrag spiele ich mich ein wenig im Genre der Nachrichten in der Social-Media Welt. Es ist die selbe Geste, wie auf Facebook den Link zur Studie zu posten, erweitert um meine kurze Beschreibung des Inhaltes. Ich halte mich relativ zurück mit allem, was es noch drum herum zu sagen gäbe, auch mit dem Ziel, dass ich relativ schnell einen Beitrag verfassen kann, der dennoch wertvoll ist. Ja, ich finde die Studie wertvoll und hoffe darauf, dass sie einen Beitrag liefert zur Erosion des psychiatrischen Allgemeinglaubens bezüglich Depression und Serotonin. Warum es solch eine Studie braucht, nach Jahrzehnten von Forschung zu Serotonin und Depression, um das Ergebnis, dass es da nichts besonderes zu beobachten gibt, als große Neuigkeit herauszubringen, ist eine andere Geschichte. Oder ein paar.
Kurz zu meinen Aktivitäten: Mein Blog-Veröffentlichungsziel (alle 3-4 Wochen ein Beitrag) habe ich nicht ganz erreicht, aber trotzdem waren die letzten Monate produktive Schreib-Monate. Ich habe weiter an meinem Buch gearbeitet, mich um ein Stipendium beworben, und arbeite gerade an einem kurzen Text mit dem Titel „Glaubensfragen,“ über den bei Zeiten hier noch zu lesen sein wird. Soviel – am Rande – zu meinem Arbeitsprozesses.
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